Hausmittel
Joghurt gegen Reflux
Sodbrennen ist schon beinahe eine Volkskrankheit. Studien zeigen, dass in den westlichen Industrieländern 14 bis 20 % der Bevölkerung regelmäßig darunter leiden. Dementsprechend kursieren im Internet, in Zeitschriften und Ratgebern hunderte von Tipps und Hausmitteln, die den Betroffenen das Leben erleichtern sollen. Zu den häufiger empfohlenen Nahrungsmitteln, die das unangenehme Brennen und Aufstoßen angeblich lindern, zählt handelsüblicher Joghurt. Obwohl viele auf dieses einfache Gegenmittel schwören, ist seine Wirksamkeit nicht erwiesen. Im Gegenteil, aus wissenschaftlicher Perspektive scheint es höchst fragwürdig, ob Jogurt, der einen deutlich sauren pH-Wert aufweist, ein Symptom bekämpfen kann, das durch Säure ausgelöst wird [1][2].
Wie und warum hilft Joghurt bei Sodbrennen?
Als Sodbrennen wird ein brennender Schmerz hinter dem Brustbein (Sternum) bezeichnet, der durch das Aufsteigen der Magensäure bzw. des Mageninhaltes in die Speiseröhre (Ösophagus) verursacht wird. Dieser Rückfluss der Magensäure wird Reflux genannt. Weitere, mögliche Symptome sind morgendlicher Reizhusten, Heiserkeit, Asthmaanfälle, ein saurer Geschmack im Mund, saures Aufstoßen, der sprichwörtliche Kloß im Hals (Globusgefühl) oder sogar Erbrechen. Leidet ein Patient mindestens zweimal in der Woche an Symptomen, die durch den Reflux verursacht werden, wird von einer gastroösophagealen Refluxerkrankung (GERD) gesprochen. Im schlimmsten Fall entwickelt sich durch die aufsteigende Säure eine Entzündung der Speiseröhre (Ösophagitis), die schlimmstenfalls bleibende Defekte (Erosionen), Schleimhautveränderungen und Krebs hervorrufen kann. Bei 60 % aller GERD-Patienten lassen sich allerdings keine Defekte (Erosionen) nachweisen [1][3].
Sodbrennen kann durch sehr unterschiedliche Umstände verursacht werden. Stress, fettiges Essen, Nikotin, Alkohol und bestimmte Medikamente zählen zu den Ursachen. Aber auch eine Erschlaffung oder Verkrampfung des unteren Speiseröhrenschließmuskels (Ösophagussphinkter) kann diese Symptome dauerhaft hervorrufen. Je nach Auslöser wird das Leiden medikamentös, chirurgisch oder durch eine Veränderung des Lebensstils behandelt. Besonders das Essverhalten der Patienten spielt dabei eine Rolle. Spezielle Diäten und Ernährungspläne sollen helfen, die Symptome in den Griff zu bekommen. Dabei werden häufig Joghurt und Milch als magenschonende Nahrungsmittel empfohlen [4].
In Studien konnte keine positive Wirkung von Milchprodukten auf die Häufigkeit des Auftretens von Reflux nachgewiesen werden. Milch hat einen leicht sauren pH-Wert und enthält in der Regel Fett. Fett ist schwerer verdaulich und verbleibt deshalb länger im Magen. Leert sich der Magen nur langsam, kann das zum Zurückfließen seines Inhaltes in die Speiseröhre führen. Wurde fettarme Milch getrunken, traten die Symptome bei den Probanden allerdings deutlich seltener auf als bei denjenigen, die fetthaltigere Milch zu sich nahmen. Mit Joghurt verhält es sich ähnlich. Auch er enthält Fett und weist einen sauren pH-Wert von 4 bis 4,4 auf. Zwar ist der pH-Wert von Magensäure mit etwa 2,0 deutlich niedriger und damit saurer als der von Joghurt, kann aber dennoch durch das Milchprodukt nicht erhöht werden. Zwischen laktosefreien (Sojajoghurt) und laktosehaltigen Produkten konnten in Bezug auf die Häufigkeit des Auftretens von Refluxsymptomen keine Unterschiede festgestellt werden [5][6][7][8][9][10].
Eine Studie aus der Schweiz allerdings belegt, dass probiotischer Joghurt, also Joghurt, dem spezielle, probiotisch („für das Leben“) wirksame Milchsäurebakterien zugesetzt worden sind, Magenentzündungen (Gastritis) lindert und verhindert. Wie genau das funktioniert, ist bisher nicht bekannt. Dieser positive Effekt lässt sich aber nicht auf die Behandlung von Sodbrennen übertragen. Denkbar ist lediglich, dass die kühlende Wirkung des Milchprodukts das unangenehme Brennen in der Speiseröhre, das durch den Säurereflux auftritt, etwas mildert [11][12].
Was muss bei der Anwendung und Dosierung beachtet werden?
Obwohl in Studien keine heilsame Wirkung von Joghurt auf Sodbrennen nachgewiesen wurde, dürfen der Placebo-Effekt und das subjektive Empfinden des Patienten nicht vernachlässigt werden. Wer das Gefühl hat, durch einige Löffel des Milchprodukts seine Symptome für einen Moment lindern zu können, muss darauf nicht verzichten. Für diejenigen, die besonders häufig und gern zum Joghurtbecher greifen, gibt es einen kleinen Trick: Ein halber Teelöffel Natron, das dem Joghurt beigemischt wird, neutralisiert die Säure und schont so die Speiseröhre [5][13].
Gibt es Nebenwirkungen und Risiken?
Kommt es häufiger zu den oben genannten, mit Reflux assoziierten Symptomen, sollte ein Arzt aufgesucht werden. Eine Therapie durch Hausmittel und selbstverordnete Diäten genügt dann nicht mehr. Mögliche organische Ursachen müssen in diesem Fall abgeklärt werden.
Wer es trotz fehlender wissenschaftlicher Belege für die Wirksamkeit von Joghurt bei Sodbrennen mit diesem Hausmittel versuchen möchte, sollte darauf achten, nicht unter einer Unverträglichkeit gegenüber Laktose (Laktoseintoleranz) zu leiden, und im Zweifelsfall auf ein laktosefreies Produkt zurückgreifen.
Quellenangaben
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Thomas Lüscher, Jan Steffel (Hrsg.): Magen-Darm-Trakt. Springer, 2013, S. 48ff.
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„21 Tipps gegen Sodbrennen in der Schwangerschaft“, http://www.hallo-eltern.de/sch..., 11.09.2015
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Christoph Beglinger, Burkhard Göke: Gastroenterologie systematisch, UNI-MED-Verlag, 2007, S. 30.
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Ivo van der Voort, „Refluxösophagitis“ in: H. Koula-Jenik, M. Kraft, M. Miko, R.-J. Schulz (Hrsg.): Leitfaden Ernährungsmedizin. Urban & Fischer, 2006, S. 479ff.
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„Sodbrennen – Hilft Milch bei Sodbrennen wirklich?“, http://www.sodbrennen-hausmitt... 11.09.2015
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Y. K. Kim, „The relationship between the popular beverages in Korea and reported postprandial heartburn“, http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pu..., 11.09.2015
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M. Feldmann, „Relationships between the acidity and osmolality of popular beverages and reported postprandial heartburn“, http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pu..., 11.09.2015
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T. Seilnacht, „pH-Wert“, http://www.seilnacht.com/Lexik..., 11.09.2015
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Rainer H. Bubenzer, „Milch löst Sodbrennen aus?!“, http://www.sodbrennen-welt.de/..., 11.09.2015
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„Lebensmittel-pH-Elektroden“, http://www.eurotronik.de/leben..., 11.09.2015
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C. P. Felley, „Favourable effect of an acidified milk (LC-1) on Helicobacter pylori gastritis in man“, http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pu..., 11.09.2015
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Veröffentlicht durch: | DeGiN-Redaktion |
Erstellt am: | 23.05.2016 |
Zuletzt aktualisiert am: | 31.05.2016 |
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